Vorbilder braucht es

Am 16. April vor 127 Jahren wurde Charlie Chaplin vermutlich in London geboren. Seine Geburtsurkunde blieb der Welt bis heute verborgen.

16. April 2016

 

Was aber vor wenigen Jahren für Aufregung sorgte, war ein schriftliches Fundstück seiner Tochter Victoria. Ein gewisser Jack Hill beschrieb 1970 in einem Brief an Chaplin, dass jener „kein Sohn Südlondons“ sei, sondern diese Welt in einem Wohnwagen betreten hat, der Eigentum der ‚Gypsy Queen (Hills Tante), war. Chaplin sei in einem Park in Smethwick bei Birmingham geboren, der für die damalige Zeit als Roma-Quartier galt. So die Gerüchte.

Einer der größten „Entertainer“ dieses Planeten also ein Rom? Ob, dies nun stimmt, oder nicht, das Beispiel und die Diskussion darum, zeigen wichtige Punkte auf, die für Roma heute aktueller denn je sind.

Einerseits, scheint es, dass selbst für den Fall seiner Roma-Abstammung, Chaplin es für nötig empfand diese zu verleugnen. Einer der größten Stars der Geschichte, der zweimal den Oscar erhielt und von der Queen zum „Sir“ geschlagen wurde, hat sich möglicherweise nicht getraut zu sagen, er sei ein Rom. Die ist die erste Problematik, derer man Aufmerksamkeit schenken muss. Dieses Verschweigen der eigenen Zugehörigkeit führt zum nächsten Punkt und zu einer Notwendigkeit, die es stärker anzugehen und zu kommunizieren gilt: Vorbilder und Idole.

Gründe der Geheimhaltung

Spricht man mit Menschen in Österreich hört man selbstverständlich von Roma, die keine Angst haben ihre Identität zu nennen. Aber man bemerkt auch, dass es weiterhin genug gibt, die sich aus Angst vor der ganzen Negativität in den Medien, im Alltag oder im Sprachgebrauch hinter Nationalitäten verstecken. Ein Romni wird schnell zur Albanerin, wenn sie öffentlich beim Telefonieren in ihrer Muttersprache erwischt wird. Ein Rom schnell einfach mal zum Serben, wenn er den „Zigeunerwitzen“ seiner Kollegen lauschen muss.

Das kollektive Gefühl der Roma in diesem Land ist keines, das sich auf eine Emotion reduzieren lässt. Es ist eher ein Sammelsurium von Gefühlen, Empfindungen und Ärgernissen. In Gesprächen wird klar, dass es eine seltsame Überzeugung gibt, als Rom oder Romni auf der Straße erkannt zu werden. Quasi, man habe ja sowieso die gewisse „Arschkarte“ gezogen und könne nichts dagegen machen. „Roma erkennt man einfach“, lautet ein Credo.

Auf der anderen Seite möchte man die Zugehörigkeit verstecken, weil es unter anderem inmitten der „Community“ eine Scham gibt, die sich gegen andere Roma zu richten scheint. Man möchte sich, von jenen in den ‚Containern‘ und Roma die ‚Müll sammeln‘ distanzieren. Was natürlich zur Frage führen muss, wie es soweit kommen konnte, dass Menschen derart leben oder nach Essen und Kleidung suchen müssen. Der nächste Punkt skizziert eine kurze Antwort darauf.

Es handelt sich um die immanente Diskriminierung von „Roma“ auf der ganzen Welt, die Leute in die Anonymität und an den Rand, der traditionell von Armut gekennzeichnet ist, drängt. Morde in Ungarn, Brutalität in Bulgarien, Deportation in Frankreich, Brandanschläge in Linz und ein Haufen rassistischer Rhetorik im Netz. Von der strukturellen Benachteiligung von Justiz und Ökonomie gar nicht zu sprechen.

Sie sagen so. Also bin ichs, oder bin ichs nicht?

Somit lässt sich erkennen, dass das negative (teilweise übernommene) Selbstbild und die negative Fremdbestimmung, die sich beide zueinander zugleich auch in einer Wechselwirkung befinden, die Hauptgründe für den geheimen Rom, die geheime Romni in allen Ländern und Ebenen des Lebens sind. ‚Habe ich eine andere Identität, bin ich nicht wie jene, über die man so viel Schlechtes sagt‘. Armutsbedingte Problemfälle und Stereotypen gehen hierbei in Zweisamkeit Hand in Hand und führen dennoch auf eine Sache zurück, die verhindert, dass Idole und Vorbilder geboren werden. Selbstverleugnung.

Doch, um zurückzukommen, was hat Charlie Chaplin alles damit zu tun? Einfach gesagt, es geht um eine vertane Chance, der Welt - seit über 100 Jahren - zu zeigen, einer von uns hat euch Stunden über Stunden mit feinstem Witz und Raffinesse unterhalten und zum Lachen gebracht. Ganz ohne „Kotzorgie“, billigst Humor oder mit der Spielerei von Stereotypen.

Es wäre extrem positiv gewesen, jemanden so eines Kalibers, anerkannt und in der breiten Öffentlichkeit stehen gehabt zu haben. Leider ist diese Chance vergangen und die Bemühungen seine Roma-Herkunft posthum zu etablieren, sind natürlich wichtig, aber von geringerer Tragweite als sie es vor seinem Tod gewesen wären.

Was aber nicht bedeutet, dass es da draußen nicht noch mehr berühmte „Gypsies“ gibt, die für viele Menschen die Frage der Nationalität und Identität hinter sich gelassen haben und die nicht wegen oder trotz ihrer Herkunft, sondern einfach aufgrund ihrer Art große Idole sind. Tot oder lebendig Dazu zählen unter anderem:

 

  • Kesha – Amerikanische Sängerin teils aus ungarischer and Roma Herkunft
  • Eric Cantona – Französische Fußballlegende bei Manchester United
  • Gerd Müller – Deutsche Tormaschine und Fußball-Weltmeister
  • Helen Mirren – Schauspielerin
  • Marianne Rosenberg – Sängerin
  • Elvis Presley – Sänger, man nimmt an er habe schottische-Roma Wurzeln
  • Eugene Hütz- Sänger von Gogol Bordello

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